2008: ANU-Bundestagung

"Der Zukunft das Wasser reichen"

ANU-Bundestagung 2008 in Kooperation mit der Evangelischen Akademie Tutzing und dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit
Dokumentiert von Caroline Fischer

Der Zukunft das Wasser reichen – dieser Vorsatz führte vom 20. bis 22. Oktober 2008 immerhin 150 Fachleute aus Bildung, Umweltverbänden, Politik und Verwaltung in die Evangelische Akademie Tutzing. Dort fand die zweiten Fachtagung in Deutschland zum Jahresthema Wasser der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ statt. Auf Einladung der ANU (Bundes- und Landesverband), des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz und der Evangelischen Akademie Tutzing wurde diskutiert, wie sich Bildungseinrichtungen tiefgründig und handlungsorientiert mit den vielfältigen Herausforderungen rund ums Wasser auseinandersetzen können.

Bedingt durch Klimawandel, Bevölkerungsdynamik und Lebensgewohnheiten werden die Konflikte im Zusammenhang mit Wasser weltweit rasant zunehmen. „Bildung ist eine wesentliche Voraussetzung zur Lösung dieser Konflikte und zur weltweiten Sicherung der Trinkwasserressourcen“, so Marion Loewenfeld, erste Vorsitzende der ANU Bayern. Die Bedeutung der Umweltbildung für nachhaltige Entwicklung lokal und global unterstrich auch der damalige Bayerische Umweltminister Dr. Otmar Bernhard mit seinem Besuch der Tagung.
Marion Loewenfeld: die Wasserkampagne der Umweltbildung.Bayern
Rede von Staatsminister Dr. Otmar Bernhard: Wasser - Vielfalt - Klima; Globale Fragen und ihre regionale Bedeutung

Der Naturphilosoph und ehemalige Senator Prof. Dr. Meyer-Abich aus Hamburg nahm die TeilnehmerInnen mit auf eine Reise ans Wassers in der Welt der Philosophie. Er spannte den Bogen von der Weite und Stille des Wassers über die vier Elemente zur (Kultur)Geschichte der Menschen, die sich immer an auch den Ufern von Wasser vollzieht. Mit dem Blick auf die soziale und kulturelle Bedeutung von Wasser eröffnete Meyer-Abich einen der beiden Diskussionsstränge, mit dem auch das facettenreiche Rahmenprogramm der Tagung verbunden war. Ob bei Shiatsu-Übungen im sonnigen Schlossgarten, morgendlichen Meditationen auf der Seeterrasse mit „Wasserstellen“ aus der Bibel und dem Koran oder einer Märchenstunde zum Tagesausklang, die Möglichkeit über Körperbewusstsein und geistige Welten unerwartete Zugänge zum Wasser zu öffnen und gleichzeitig etwas für sich selbst zu tun, begeisterte die Tagungsgäste.

Kulturelle Aspekte von Wasser (Vortrag und Rahmenprogramm)

Recht auf Wasser und Wasserrechte

Weg von der Schöpfung und hin zur Erschöpfung der Ressource Wasser führte Michael Windfuhr von Brot für die Welt. Er legte mit der Betrachtung von Wasser als wirtschaftliche genutzte Ressource einen zweiten Pfad an, der ebenfalls im Lauf der Tagung weiter verfolgt und genauer beleuchtet wurde. „Wasser ist ein besonderes Gut – ein besonderes Rechtsgut, ein knappes Gut und ein Konfliktgut“ so der Menschenrechtsexperte. Mit beeindruckenden Zahlen und lebendigen Beispielen untermauerte er einen düsteren Situationsbericht zur globalen Wassersituation, aber auch erste Lösungsansätze und betonte die Notwendigkeit, Zugang und Verteilung des Wassers im Sinn der globalen Gerechtigkeit partizipativ zu regeln. Von Zugangs- und Wasserrechten erzählten auch die beiden Berufsfischer Hans Müller und Martin Greinwald, allerdings mitten auf dem Starnberger See. In Fischerbooten nahmen sie die TeilnehmerInnen ihres Workshops vor traumhafter Bergkulisse mit hinaus auf das Wasser.

Bilder vom Workshop „Mit im Boot - vom Wasser leben“ (Fotos: M. Loewenfeld)

Workshops

Insgesamt erfuhren die Teilnehmenden in sieben Workshops, wie (inter)kulturelle, ästhetische, philosophische, partizipative, politische und wirtschaftliche Zugänge zum Thema Wasser lebens- und praxisnah geschaffen werden können. Alle Workshops luden, gleichwohl mit unterschiedlichen Methoden, zum Perspektivenwechsel ein. So entstanden z.B. aus der künstlerischen Auseinandersetzung der TeilnehmerInnen mit dem virtuellen Wasser unter Leitung der Kölner Künstlerin Sigrid Lange mehrere „Land Art“-Objekte, die sehr sinnfällig und ästhetisch schön auf die Menge virtuellen Wassers verweisen, die zur Herstellung verschiedener Produkte unseres täglichen Lebens notwendig sind. Nikolas Geiler vom Arbeitskreis Wasser im Bundesverband der Bürgerinitiativen hatte zuvor mit einem Vortrag zum Thema virtuelles Wasser die Brücke zwischen Theorie und Praxis gebaut.
Nikolaus Geiler: Virtuelles Wasser
 

Workshops: Dokumentationen

Jörg Isermeyer: Immer das Theater mit dem Wasser – Aktionen auf der Straße

Straßentheater-Aktionen in Tutzing geleitet von Jörg Isermeyer

Der praxisorientierte Workshop setzte sich auf sinnliche Art und Weise mit der politischen Dimension von Wasser und seiner Privatisierung auseinander und sollte zur Durchführung eigener Straßentheateraktionen z.B. mit Jugendlichen oder Schulklassen ermuntern und befähigen.

Der Workshop begann mit ein paar auflockernden Theaterübungen im Inneren der Evangelischen Akademie. Danach wurden die Übungen nach draußen verlagert. Sie dienten dem Abbau von Hemmungen und einer sich daraus ergebenden Öffnung. So bewegten sich die TeilnehmerInnen – eine Schlange bildend – von dem menschenleeren Park in Richtung belebter Straße. Als sogenannte "Affenhorde" ahmten alle TeilehmerInnen das nach, was der vorderste vorgab. So entstanden Szenen, in denen z.B. alle die Hände in die Luft streckten, sie alle nacheinander einem Passanten die Hand reichten oder sich im Autorückspiegel betrachteten. Die durch die Übungen erreichte Offenheit wurde anschließend genutzt, um zum Thema Wasser und Bildung für nachhaltige Entwicklung innovative und spannende Straßentheater-Aktionen zu entwickeln. Die TeilnehmerInnen des Workshops teilten sich in drei Gruppen auf und führten folgende Straßentheater-Aktionen in Tutzing durch:

Die erste Gruppe teilte den Passanten in Tutzing mit, dass sie als Kunstaktion den Starnberger See mit Hilfe von Christo verpacken wolle und sammelte dafür Unterschriften. Die so entstehende Kuppel über dem Starnberger See sollte gleichzeitig als lokale Lösung für den Klimawandel dienen, damit wenigstens der Starnberger See bleibt, wie er istDie zweite Gruppe plante den See zu fluten, u. a. um die privaten Anlieger unter Wasser zu setzen, was wieder mehr öffentlichen Zugang zum See bedeuten würde.Die dritte Gruppe machte eine Kundenbefragung zur kommenden Privatisierung des Sees, bei der jeder Kubikmeter Wasser als Anlagemöglichkeit verkauft werden sollte.

Die Aktionen und Erfahrungen auf der Straße wurden am nächsten Tag interaktiv und ungeprobt im Plenum vorgestellt und bildeten einen humorvollen Einstieg in das Thema Privatisierung. Positiv war auch das Fazit der Gruppe: Straßentheater schafft Begegnung – nur Mut!

Persönliche Gedanken von Jörg Isermeyer zum Workshop und zum Theater auf der Straße als PDF.
 

Fotos vom Straßentheater-Workshop (Fotos: Barbara Benoist)

Privatisierung von Wasser und „Markt der Mögichkeiten“

Mit dem Thema Privatisierung von Wasser hatten sich ja bereits die Teilnehmer*innen des Straßentheater-Workshops mit Jörg Isermeyer vom Grips Theater Berlin auseinandergesetzt. Sie hatten Passanten mit der Behauptung konfrontiert, dass der Starnberger See von einem Wirtschaftsunternehmen gekauft und vermarktet werden soll. Etliche Personen waren darauf hin bereit, dies durch Ankauf eines Seeanteils in Form einer „Seeaktie“ zu verhindern. Die interaktive Präsentation ihrer Erfahrungen im Plenum bot den Einstieg zu einem spannenden Streitgespräch zur Privatisierung von Wasser zwischen dem Unternehmer Norbert Rethmann und Jens Loewe vom Städtebündnis Wasser in Bürgerhand. Dabei wurde deutlich, wie schwierig und komplex das Thema „Menschenrecht Wasser“ nicht nur bei globaler Betrachtung ist. Eines steht fest: Der Markt für Flaschenwasser boomt! Sich mit ihm auseinanderzusetzen, gehört zum Themenfeld Privatisierung, Menschenrecht Wasser und Milleniums-Entwicklungsziele. Nach dem Sketch der Theatergruppe und dem Streitgespräch zur Privatisierung versuchte Caroline Fischer den Durst nach weiteren methodischen Zugängen zu den eher trockenen Themen zu löschen. Zusammen mit Barbara Benoist servierte Caroline Fischer verschiedene Mineralwässer und kompakte Informationen zum Markt für Flaschenwasser.

Ein weiteres Highlight der Tagung bot sicherlich der Markt der Möglichkeiten mit 20 Aussteller*innen, der von Annette Berger organisiert wurde. Hier zeigten neben bundesweiten Anbietern auch Projekte der bayerischen Wasserkampagne „WasSerleben 2008“ in einer lebendigen Ausstellung, wie kreativ, interaktiv und methodisch vielfältig das Thema Wasser für unterschiedliche Milieus und Kunden vermittelt werden kann. Das Spektrum reichte hier von der interaktiven Klimastation über Flusskonferenzen oder Schulklassenprojekten zu Mineralwasser bis zum sinnlich erfahrbaren Edelstein-Wasser in Glaskaraffen.
 

Dokumentationen und Infos zum „Markt der Möglichkeiten“

Fazit, Verantwortliche, Literatur zum Thema

Die ANU-Bundestagung schaffte es in einer von Leichtigkeit getragenen Atmosphäre, das Thema Wasser in seiner Tiefe zu erfassen und viele Facetten der Bildungsarbeit im Sinne nachhaltiger Entwicklung darzubieten. Sie zeigte das, was es derzeit bundesweit an innovativen Projekten dazu gibt, vermittelte mit kreativen und partizipativen Methoden neue Anregungen und ermöglichte viel Austausch.

Konzeption der Tagung: Caroline Fischer, 2.Vorsitzende der ANU Bayern, in Kooperation mit Martin Held (Tagungsleiter der Evangelischen Akademie) und Heike Wagner (Bayer. Umweltministerium).
Veranstalter der Tagung: Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung (ANU), Bundesverband und  Landesverband Bayern, Evangelische Akademie Tutzing, Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit
Literaturliste zum Thema Wasser in der BNE

Die Tagung in der Presse: